Fotos: Thomas Raggam
Grüne Daumen in kleiner Hand
Im Schulgarten „MINT & Minze“ der Praxisvolksschule Augustinum in Graz blüht nicht nur die Natur auf, sondern auch das Wissen der Kinder. Unter der Anleitung des Biologen Andreas Motschiunig lernen sie die Grundlagen der Gartenarbeit.
Es ist ein sonniger Morgen in Graz, und auf dem Schulhof der Volksschule Augustinum herrscht reges Treiben. Kinderlachen mischt sich mit dem Geräusch von Schaufeln, Gießkannen und Jausenboxen. Inmitten dieses bunten Miteinanders steht Andreas Motschiunig, Biologe und Kulturpflanzenspezialist, der den Schüler:innen während der nächsten 50 Minuten die Natur näher bringt. Heute lernen die Kinder, wie man Feigenbäume zieht, Zucchinis pflanzt und die Beete mit Rasenschnitt ausstattet, damit sie nicht austrocknen. Doch davor wird erstmal gejausnet.
Alles im grünen Bereich
Der Schulgarten „MINT & Minze“ begleitet die Sonnenklasse und alle anderen Klassen seit 2022 im Rahmen des Forscherblickes durch das ganze Schuljahr. Andreas Motschiunig ist für die Beratung im Gartenbau zuständig und leitet das Projekt. Mit seiner Erfahrung im Soziokulturbereich und als mehrfach aktiver Gemeinschaftsgärtner bringt er eine Fülle von Wissen und Begeisterung mit. Während die 17 Kinder in der Wiese im Schatten sitzen und gierig ihre Tupperboxen leeren, erklärt Andreas, was er für heute geplant hat. Er geht in die Hocke, ein Kind grinst, als es die bunten Chilis auf seinen „Happy Socks“ sieht. Die jungen Gärtner:innen hören ihm aufmerksam zu. „Könnt ihr euch noch daran erinnern, was wir das letzte Mal gepflanzt haben?“, fragt Andreas in die Runde und sofort zählen die Kinder zig Gemüse- und Obstsorten auf. „Knoblauch!“ „Vogerlsalat!“ „Saubohnen!“ Die Begeisterung ist sichtlich spürbar.
Mischkultur und Naschhecken
Bevor sich die Truppe die Hände schmutzig machen darf, gibt Andreas eine kleine Führung durch den Garten. Mehrere Hochbeete reihen sich aneinander. „Wichtig ist, dass die Holzkästen nicht zu hoch sind, so können die Kinder im Stehen arbeiten.“ Was man immer macht beim Gärtnern? Boden aufbauen. „Organisches Material liegt auf der Erde, das schützt sie. Wir wollen nicht nur vermitteln, wie man Gemüse produziert, sondern wie wir den Boden langlebig machen.“ Als lebendiges Klassenzimmer trägt das Schulgarten-Projekt zur Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten der Schüler:innen bei, indem es ihnen ermöglicht, gesunde Nahrungsmittel anzubauen und zu ernten. Die Schüler:innen lernen auch, wie man Lebensmittel konserviert und zubereitet.
Vieles wurde schon geerntet, Kapuzinerkresse-Pesto gemacht, Kräuter getrocknet und verarbeitet, Frühblüher gesetzt und Gründüngung gesät. Im Frühling wurden die Beete startklar gemacht: Die ersten Karotten, Radieschen, Erbsen und Spinat schauen bereits aus der Erde. Dazu gesellen sich Salbei, Mangold, Schnittlauch, Colakraut und Wermut (Anm. der Redakteurin: Sehr bitter!). Neben einem bewusst verwilderten Kräuterbeet soll bald ein Kiwi-Baum ranken. Was schon an Früchten wächst, ist schnell gepflückt. Wie die Beeren an den Naschhecken – „es soll ein essbarer Raum sein!“ Das Belohnungssystem funktioniert.
Es wird wuselig
Der Tag beginnt mit einer kurzen Einführung. Was mitgedacht werden muss? Es soll das ganze Jahr über geerntet werden können und immer etwas blühen. Vor allem im Herbst, wenn die Kinder von den Ferien zurückkommen. Heute steht das Pflanzen von Zucchinis auf dem Programm. Andreas erklärt geduldig, warum Zucchinipflanzen viel Platz und Sonne brauchen. Die Kinder hören aufmerksam zu und sind eifrig bei der Sache, als es an die Praxis geht. Jede Gruppe bekommt eine Aufgabe: Einige lockern die Erde, andere setzen die Pflanzen ein, und wieder andere verteilen den Rasenschnitt als Mulch, damit die Beete nicht austrocknen. Andreas zeigt vor, wie viel Wiesenschnitt wohin kommen soll. „Pflanzen brauchen Sonnenschutz auf den Wurzeln.“ Einen ganzen Anhänger voll gemähtem Gras verteilen die Kinder. Mutige dürfen daran riechen. „Igitt! Das stinkt!“ Nase rümpfen, Kübel erwischen, und ab damit.
Danach wird die Erde für die Feigenbaum-Setzlinge angemischt. Einige Kinder können es kaum erwarten, bis zu den Ellbogen im Kübel zu stecken. Vorsichtig wird Faust für Faust Erde in Plastik-Sackerl gefüllt und ein unscheinbarer Stock hineingepackt. Andreas hilft den Kindern, die kleinen Feigenbaum-Pakete zu schnüren. „Durch das Plastik könnt ihr beobachten, wie die Wurzeln wachsen. Wenn die Bäumchen Blätter tragen, könnt ihr sie umsetzen und bald schon eure Feigen ernten – es gibt schwarze und violette. Nehmt euch alle einen Stock“, sagt er. „Betreuungsextensiv” sind die sogenannten „Fig Pops“, da sie einfach in die Klasse gestellt werden können und nicht viel Aufmerksamkeit brauchen. Die Augen der Kinder sind weit aufgerissen. Nur eine zögert: „Ich will mein Armband nicht dreckig machen!“ Glücklicherweise gibt es genug zu tun, sie rennt munter in Richtung Zucchini-Station.
Zucchini und Ziele setzen
„Ich habe noch nie eine Zucchini gepflanzt”, sagt die achtjährige Lisa, während sie vorsichtig einen Samen in die Erde setzt. „Ich hoffe, meine wächst ganz groß!“ Andreas lächelt und gibt Tipps, wie man die Pflanze richtig pflegt. „Es ist erstaunlich zu sehen, wie begeistert die Kinder bei der Sache sind“, erzählt er später. „Man sieht richtig, wie stolz sie auf ihre Arbeit sind.“ Gestreifte, gelbe und syrische Zucchini sollen bald geerntet werden. Eifrig werden Holzetiketten beschriftet und neben die Setzlinge gesteckt. Die Lehrerinnen und wir schmunzeln uns an. Das Wort „Zucchini“ sehen wir auf mindestens 10 verschiedene Varianten falsch geschrieben. Aber trotzdem kennen sich alle aus. Die Klassenlehrerin erzählt, dass die Beete im Sommer mit Gießdiensten am Leben gehalten werden. Auch die Eltern der Schüler:innen kommen immer wieder vorbei und kümmern sich um das Projekt – ohne Garten oder Balkon kommen die Kinder in der Stadt sonst nur selten zum „Garteln“.
Durch die Gartenarbeit lernen die Kinder nicht nur praktische Fähigkeiten, sondern auch viel über die Natur und Umwelt. Sie verstehen, woher ihr Essen kommt und wie wichtig es ist, die Natur zu schützen. „Seitdem wir das Projekt gestartet haben, sehe ich bei vielen Kindern eine echte Veränderung“, sagt Andreas. „Sie sind aufmerksamer und achten mehr auf ihre Umgebung.“ In seiner Arbeit im Zentralgartenbüro (ZGB) ist er an vielen ökologischen und essbaren Projekten beteiligt. Das ZGB ist ein Kompetenzzentrum, das sich auf soziales Gärtnern, Gartenbildung, die Förderung einer essbaren Stadt und solidarische Lebensmittelproduktion spezialisiert hat. Ziel des ZGB ist es, einen wirkungsvollen Beitrag zu einer sozial-ökologischen Transformation zu leisten und damit verbundene Zielsetzungen wie das Pariser Klimaziel, die Social Economy und die Sustainable Development Goals (SDGs) zu unterstützen. Das ZGB möchte Graz zu einer Garten(vorzeige)stadt machen, indem es partizipativ gestaltete und bewirtschaftete Grünräume und Gärten fördert.
Aus dem Boden gestampft
Natürlich geht nicht immer alles glatt. Manchmal machen Schädlinge den Pflanzen zu schaffen oder das Wetter spielt nicht mit. Aber auch diese Herausforderungen gehören zum Lernprozess. „Wir achten darauf, Sorten zu wählen, die gut wachsen. Gärtnern darf nicht frustrierend sein. Es ist wichtig, dass die Kinder auch lernen, dass nicht immer alles perfekt läuft“, sagt Andreas. „Das gehört zum Gärtnern dazu.“
Das Schulgartenprojekt „MINT & Minze“ zeigt, wie wertvoll praktische Naturerfahrungen für Kinder sind. Andreas und seine jungen Gärtner:innen haben bereits viel erreicht und freuen sich auf die nächste Ernte. „Ich hoffe, dass wir noch viele Kinder für das Gärtnern begeistern können“, sagt Andreas. An den strahlenden Gesichtern der Kinder lässt sich ablesen, dass sie heute nicht nur geerntet, sondern auch gelernt haben. Gemeinsam wachsen, im wahrsten Sinne des Wortes.
NADINE MOUSA hat auch einen Feigenbaum-Setzling mit nach Hause genommen. Bisher hat er aber mehr Blätter verloren, als neue dazugekommen sind. Sie übt sich in Geduld.